Dieses Szenario ist zwar nicht aus der Luft gegriffen, um eine Verschwörung dürfte es sich dabei jedoch nicht handeln – außer man betrachtet die bislang geltenden Regeln der Branche selbst als Verschwörung. Wichtige Infrastruktur-Techniken, zu denen inzwischen auch Linux gehört, wechseln nicht ohne den Segen wichtiger Marktplayer den Besitzer. So hat Novell schon einmal 1993 mit Zustimmung der Branche die Rechte an Unix erworben. Das Unternehmen sollte mit einem Unix-Desktop gegen Microsoft antreten, scheiterte allerdings kläglich.
Damals wie heute ging es darum, zu verhindern, dass Streit innerhalb der Unix-Community dem eigentlichen Gegner in die Hände spielt – nämlich Microsoft. Eine für den gesamten Markt wichtige Infrastruktur sollte am Leben erhalten und ihre Monopolisierung verhindert werden. Die Monopol-Gefahr lauert dieses Mal beim Linux-Distributor Red Hat.
Allerdings hat sich seit den neunziger Jahren einiges verändert. Anders als Unix damals gehört Linux jedem der daran mitwirkt, Red Hat also ebenso wie Linux oder den Entwicklern in den Studentenbuden, bei der IBM oder Sun. Insofern geht auf technischer Ebene Kooperation vor Konkurrenz. Doch auch hier sollte man sich vor Illusionen hüten. Linux-Freaks, die in ihrer Freizeit die Funktionalität ihres Open-Source-Betriebsssystem ausbauen, sind längst in der Minderheit. Open-Source-Entwicklung findet heute während der Arbeitszeit in den extra dafür eingerichteten Abteilungen von IBM, Sun, Red Hat und auch bei Novell statt.
Anders als in den neunziger Jahren erscheinen die Erfolgsaussichten für Novell heute deutlich besser. Damals war Unix für die Positionierung als Desktop-System zu teuer und technisch zu unhandlich, während Microsofts Windows gerade seine Blüte erlebte. Heute ist Linux ein anerkanntes Server-Betriebssystem, das aus Kostengründen bereits angefangen hat, sich den Desktop zu erobern. Das Unix als Endanwender-System funktionieren kann, beweist das auf BSD-Unix laufende Mac-Betriebssystem OS X. Außerdem muss sich Novell dieses Mal nicht aus Rücksicht auf die Großen der Branche auf den Desktop beschränken und kann so die jahrzehntelangen Erfahrungen mit Netzwerk-Betriebssystemen weit besser einbringen.
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